Jahresprogramm: (Un)sustainable

(Un)sustainable?

Mit dem Jahresprogramm 2022 wollen wir ökologische, systemische Ansätze und Fragen nach Diversität und Nachhaltigkeit in puncto Technologie und Digitalisierung eruieren.

Forschungen zeigen auf, dass bereits 2025 die IT-Branche weltweit bis zu 20% der Energie benötigen wird, was circa 5,5% der Co2-Emissionen entspricht. Angetrieben durch die stetige Digitalisierung aller Lebensbereiche, dem Internet der Dinge und immer Energie- und Daten-hungrigeren Lebensgewohnheiten steigt der Energieverbrauch des Internets rasant an. Unser Planet erlebt einen beispiellosen Klimawandel und das Internet ist sowohl ein Teil des Problems als auch der Lösung. Von Websites bis hin zum Trainieren von künstlicher Intelligenz, der Erstellung von Crypto-Art oder dem Schürfen von Kryptowährungen verbraucht das Internet in Rechenzentren, Telekommunikationsnetzen und auf unseren Nutzergeräten wie Laptops und Smartphones große Mengen an Strom.

Vorfälle wie der jüngste Facebook-Blackout und die immer hitzigeren Diskussionen um Meinungs- und Datenmonopolisierung in den kommerziellen Social Media zeigen auf, wie wichtig der Betrieb dezentraler, unabhängiger, offener und zivilgesellschaftlich verwalteter IT-Infrastruktur ist und weiterhin werden wird. ‚mur.at' als Rechenzentrum und „civil cloud“ ist in diesem Sinne ein Vorzeigeprojekt mit Richtungscharakter weit über Österreich hinaus, dessen Betrieb auch in Zukunft gewährleistet bleiben muss. Was unter Schlagworten wie „digitale Souveränität“ und „digital literacy“ erst langsam in Politik, Bildung und Gesetzgebung diskutiert und umgesetzt wird, praktizieren wir schon seit 1998: konstantes Engagement für einen freien, unabhängigen Zugang zu Arbeits- und Kommunikationstechnologien und der Einsatz nicht-kommerzieller Softwarealternativen werden bei ‚mur.at' groß geschrieben. Das dazu nötige Wissen wird in Form von kostenlosen Praxisworkshops vermittelt. Im Zuge des 25-jährigen Vereinsjubiläums von ‚mur.at' widmen wir uns nicht nur ab 2022 vermehrt der eigenen Geschichte, sondern schaffen auch mit der ‚mur.at' Wissensbasis eine neue Webplattform, wo vergangene Veranstaltungen und Workshops in Form einer freien digitalen Wissensbasis dokumentieren und zugänglich machen. Mit dem Hinblick auf unser Jubiläum entsteht schrittweise ein offenes Archiv, das Schaffensprozesse in Zusammenhang mit technischen Entwicklungen erfahrbar macht und das angesammelte Wissen langfristig als Repositorium speichert.

Einer bewährten Methode folgend, schöpfen wir das kreative Potenzial von ‚mur.at' durch das Schaffen prozessorientierter kollektiver Arbeitssituationen aus. Im Rahmen von Worklabs und Künstlerinnen-Residencies bringen wir technophile Kreative und kritische Geister der gesellschaftlichen Digitalisierung zusammen. Synergien aus Kunst, Diskurs und Technik bündelnsich bei ‚mur.at' .

Bedingt durch die Pandemie erproben wir neue Formen der translokalen Zusammenarbeit und arbeiten verstärkt mit hybriden Formen der Interaktion von unabhängigen Kleingruppen. Ganz wichtig ist uns der Wissens- und Kulturtransfer: In einem breitgefächerten Veranstaltungs- und Informationsangebot, bestehend aus Präsentationen, Ausstellungen, Diskussionen und Publikationen vermitteln wir die verschiedenen künstlerisch-praktischen Ergebnisse wie auch die dahinterliegenden Prozesse einer breiten Öffentlichkeit. Dabei bauen wir sowohl national als auch international auf ein dichtes Netzwerk an Kooperationen mit Medienkunstfestivals, einschlägigen Konferenzen und Institutionen aus Technik, Kunst und Gesellschaft, um die Präsenz und Aktivität von ‚mur.at' grenzüberschreitend hervorzuheben und zu stärken.

Das Programm für 2022 setzt das Nachdenken über technisch-gesellschaftlichen Wandel, das wir 2021 begonnen haben, fort: Seit dem Initial-Lockdown prägt Digitalität Arbeitsleben und Alltag in einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß. Gleichzeitig stellen sich die Risiken und Schattenseiten, wie Datenmissbrauch, globale Ressourcenknappheit und Auswirkungen auf das Klima, immer drängender dar. Wohin führt uns diese Entwicklung, und wie können wir Ansätze für eine lebenswerte Zukunft - auch mithilfe digitaler Technologien - gestalten? Mit Rückbezug auf das Jahresprogramm 2021 konzentrieren wir uns auf die Möglichkeiten des Wandels und Paradigmenwechsels in drei Themenaspekten: der (digitalen) Ökologie, der (digitalen) Diversität und der Maschinenethik. Prozesse, Projekte und Ergebnisse aus dem Jahr 2021 werden uns weiter zu neuen Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten führen.